„Ich kann mehr als nur kochen“ Zwei Sterne machen weder reich noch glücklich: Jens Jakob

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Montag, 22. Februar 2016

„Ich kann mehr als nur kochen“

Zwei Sterne machen weder reich noch glücklich: Jens Jakob, Teil drei der SZ-Serie

Saarbrücker Zeitung vom 22. Februar 2016. Von SZ-Redakteurin Cathrin Elss-Seringhaus

Er ist der Businessmann unter den Sterneköchen: Jens Jakob hat Saarbrücker Szenelokale aufgebaut und sich im „Le Noir“ zwei Sterne erkocht. Der 43-Jährige hat mehrfach Saar-Küchengeschichte geschrieben.

Saarbrücken. Wer mit ihm spricht, weiß hinterher viel übers „Business“. Etwa, warum die Sterneküche seiner Meinung nach überall in der Krise stecke – weil schärfere Bestechlichkeitsregelungen Luxus-Geschäftsessen selbst für Unternehmens-Vorstände heikel machen. Und dass der Trend selbst in der Luxusküche „Casual“ heißt: Der Gast, so Jens Jakob (43), wolle sich weder einen Schlips umbinden noch vier Stunden bei Barockklängen Häppchen an sich vorbeiziehen lassen. Jakob sagt: „Ich kann mehr und noch andere Sachen als nur kochen. Ich wollte immer auch Geschäftsmann sein.“ Der gebürtige Saarbrücker fährt nun mal gern vielgleisig. Auch jetzt im Saarbrücker Hotel Domicil Leidinger legt er in seinem Sternerestaurant nicht nur Kaviarkügelchen-Muster, er betreibt dort die gesamte Gastronomie: Panetterie mit Bar und Lounge sowie das legere Restaurant „s’Olivio“.

Während des Max-Ophüls-Festivals tanzt dort der Bär durch alle Gänge. Hoher Geräuschpegel, Musik, Gelächter, verschiedene Nationalitäten, Generationen und Modestile: „Genau das ist Gastronomie“, sagt Jakob. Die Sterneküche sei nur eine Facette. Action und Abwechslung, die liebt der Sportfanatiker (Golfen, Surfen, Tennis). Achterbahn-Feeling inklusive. Daraus, dass er wirtschaftliche Probleme kennt, macht Jakob keinen Hehl.

Er spricht mit High-Speed und Temperament, redet nicht um den heißen Küchenbrei. Ein vitaler, aufgekratzter Typ, der sich als hyperaktives Kind schildert: „Ich war immer schon die Unruhe selbst.“ Beste Voraussetzungen für den Job als Koch, denn: „Zehn Dinge gleichzeitig im Auge behalten, das lernen Köche.“ Er selbst machte erst mit über 30 seine Meisterprüfung, da war er schon fest angestellt bei Klaus Erfort. Zum Kochen war er eher zufällig gekommen. Seine erste Freundin, erzählt Jakob, war die Tochter eines Vollblut-Gastronomen, des legendären „Hummerherbert“. Und auf die Gesamtschule Rastbachtal hatte Jakob keine Lust mehr. Nach Stationen in Topläden wie der Hostellerie Bacher oder dem Saarbrücker „Légère“ verabschiedete sich Jakob in die Kneipenszene. Jahrelang managte er die Cocktailbar im Saarbrücker Club „Number one“, baute am St. Johanner Markt Szene-Lokale wie das „Sankt J“ auf, wechselte später ins alternative Nauwieser Viertel (Mono, Karateklub Meier, Nauwies). Ein Enfant terrible in der Gourmetwelt?

Jakob hat gleich mehrfach Saar-Küchengeschichte geschrieben. 2013, als er sich mit seinem ziemlich winzigen, „Le Noir“ in der Saarbrücker Mainzer Straße den zweiten Michelin-Stern erkochte und damit im Ranking auf Platz drei direkt nach den Giganten Christian Bau und Klaus Erfort landete. Als Jakob die Sterne 2014 verlor, weil Sterne nicht an den Koch, sondern an den Ort gebunden sind und Jakob ins Saarbrücker Hotel Domicil Leidinger umziehen wollte, erregte dieser riskante Schritt Aufsehen. Noch mehr, als Jakob wenige Monate später seine Sterne wieder zurückhatte, um dann 2015 das „Le Noir Gourmet“ einfach zuzusperren. Jakob gab die Sterne zurück, machte Schluss mit der Luxusküche, um ein neues, das heutige Konzept für „Jens Jakob. Das Restaurant“ zu installieren. Und auch dafür gab’s wieder einen Stern. „Ich weiß nun mal, wo der Gaul lang läuft“, sagt Jakob. „Ich steuere das. Ich könnte sofort wieder den zweiten Stern erkochen.“ Doch das würde bedeuten, nochmal 30 Angestellte bezahlen zu müssen: „Das hat mich erdrückt. Ich musste neue Wege gehen.“

Und wie schafft man den Sprung in den kulinarischen Sternenhimmel? „Viel Butter, alles durch ein sehr feines Sieb jagen und mehr schäumen.“ Wenn’s so einfach wäre. Für Jakob haben die Hitlisten der Feinschmecker-Communities an Bedeutung verloren: „Wenn man sonst keine Probleme hat . . .“, kommentiert er. Seine Berufs- und Lebenseinstellung habe eine biografische Krise verändert. Im Herbst 2014 wurde Jakobs Mutter schwer krank, seine Partnerschaft war kaputt. Plötzlich war Jakob drei Mal die Woche alleinerziehender Vater. Er zog in eine Zweier-Männer-WG mit seinem Küchenchef Peter Wirbel, Sonntag und Montag gehören niemand anderem als Sohn Jan-Alexander (4) – Businessverbot. Zwischenzeitlich gibt es auch wieder eine Frau an seiner Seite. Er habe zu sich gefunden, meint Jakob.

Was für einen wie ihn nicht bedeutet, stehen zu bleiben. Er saust gedanklich um die Problemfelder seiner Branche: „Wo isst der Gast, der nicht mehr so häufig kommt?“, fragt Jakob. „Zu Hause!“ Man sieht, wie es hinter seiner Stirn arbeitet.

Die SZ stellt jeden Montag vom Guide Michelin ausgezeichnete Köche der Region vor.