Der Chef ohne Krawatte
Der Saarbrücker Drei-Sterne-Koch Klaus Erfort sucht nach einer neuen Überholspur
Von Cathrin Elss-Seringhaus, Saarbrücker Zeitung 4. April 2016
Klarheit ist für den Star-Koch Klaus Erfort (44) nicht nur auf dem Teller ein Credo. Auch als Mensch steht er für Geradlinigkeit. Seit acht Jahren zählt er zur Welt-Elite der Köche und wünscht sich, er hätte sich mehr Zeit genommen, den Aufstieg zu genießen.
Saarbrücken. Angeblich muss man seinen Master in Chefdiplomatie gemacht haben, um als selbstständiger Küchenchef in der Luxusklasse zu überleben. Doch Klaus Erfort eilt genau der gegenteilige Ruf voraus. Er selbst sagt: „Ich kenne mein Image. Nicht jeder kommt zurecht mit meiner direkten Art.“ Und Erfort nicht mit Gästen, die nicht rausrücken mit Kritik und dann das Team „hintenrum“ schlechtreden. Also bitte, lieber Gast, immer raus mit der Meinung und keine Etikette-Pirouetten drehen in der Mainzer Straße 95. Denn der Chef trägt im Sommer schon mal türkisfarbene Shorts unter der Schürze.
Erfort, der vor fünf Jahren seinen Servicechef Jérome dazu drängte, die Krawatte abzulegen, sagt: „Ein guter Bordeaux schmeckt auch aus dem Wasserglas.“ Zum deutschen Weingläser-Kult hält er eine gesunde Distanz, wie auch zur avantgardistischen Konzeptküche. Kompakt und puristisch geht es auf Erforts Tellern zu: „Alle sind froh, wenn sie etwas wiedererkennen. Mit 34 Grüßen aus der Küche überfordert man die Leute.“ Vor drei Jahren drehte Erfort das sehr kühle Ambiente seines Gästehauses in Richtung Behaglichkeit: „Wenn der Gast irgendwann entspannt die Schultern runterlässt, haben wir gewonnen“, sagt er. Und: „Am besten läuft’s bei uns in der Küche, wenn wir die Gäste lachen hören.“
Er müsse dann gar nicht mehr raus an die Tische und „stören“, so sieht er das. Erfort weiß sowieso haargenau, wer an welchem Tisch sitzt und wie fest oder weich der ein oder die andere das Risottokorn mag. Das Studium der Gästeliste ist für Erfort Tagespflicht, fremde Namen werden auch schon mal gegoogelt.
Mancher Kunde folgt Erfort seit dessen ersten Küchenchef-Tagen im Völklinger Parkhotel Gengenbach, das war 1995, nach diversen Sterne-Top-Stationen von der „Villa Fayence“ (Wallerfangen) bis zum „Restaurant Bareiss“ und der „Traube Tonbach“ (beide Baiersbronn). 2002 machte sich Erfort selbstständig. Heute hat er 50 Prozent Stammkunden: „Vom Sternetourismus können wir hier im Saarland nicht leben“, sagt er und ist sichtlich stolz darauf, dass sein Laden Geld verdient, während in anderen Sternerestaurants, etwa auf Sylt, die Rollläden runtergehen. Gerade hat Erfort die Mietoption für weitere fünf Jahre gezogen. Im Hof der stilvollen Villa mit Garten steht der weiße Porsche. Ein Statussymbol für einen, der aus einem kleinen Beamtenhaushalt in Fischbach stammt? Jawohl, als Koch-Lehrling träumte Erfort von dieser Art Belohnung für den harten Job, wie ihn sich sein Chef Rudi Kubig aus der Saarbrücker „Winzerstube“ gegönnt hatte. Heute schätzt Erfort die Marke „als Symbol gegen die Schnelllebigkeit“ – gibt freilich selbst gerne Gas. Auch in der Küche gilt: „Ich kann bei mir in kürzester Zeit Höchstleistungen abrufen.“ Trotzdem musste sich auch ein Erfort breiter aufstellen, ist Mitinhaber der Saarbrücker Schlachthof-Brasserie (Bib Gourmand), betreibt das Hotel Fuchs am St. Johanner Markt, ist für den Wirtschaftsball eine Kooperation mit Party Christ eingegangen. Außerdem erfand er 2015 das „Foodquartier“ in der alten Buswerkstatt am Eurobahnhof: Die preisgünstige Sterneküche war nur 76 Tage lang zu haben. Erfort hält es für symptomatisch, dass dieses erste Pop-up-Restaurant nicht mehr Furore machte: „Man traut sich im Saarland nicht, etwas hier Entwickeltes richtig gut zu finden. Das Saarland ist wie ein Tümpel. Es fließt Wasser ab, aber nur wenig frisches zu.“
Sind solche Innovationen die Überholspur, auf der Erfort so gerne unterwegs ist? Was tun, wenn mit Anfang 40 und drei Sternen der Berufs-Zenit bereits erreicht scheint? Vor zwei Jahren verschob Erfort die Gewichte im Leben. Der Sport ist hinzugekommen, samt kohlenhydratreduzierter Kost und dem persönlichen Trainer Daniel (27). Er versucht, spontaner zu leben, mal eine Spritztour nach Südtirol zum Männerski einzuschieben. Gerne isst er bei seinem Freund Franco in der Trattoria „Mille Aromi“: „Eine Seezunge und eine Schüssel Salat, was will man mehr?“
Erfort lebt in Spicheren, getrennt von seiner Lebensgefährtin, mit der er einen Sohn (13) hat. Nicht seinen Beruf, sein Lebens- und Karrieretempo empfindet er als strapaziös. Er habe keine Zeit gehabt, den Aufstieg zu genießen, meint er. Wenn er rückwärts leben könnte, dann würde er genau dies tun: langsamer genauso erfolgreich sein.
Sport und Genuss schließen sich nicht aus: Der Saarbrücker Drei-Sterne-Koch Klaus Erfort beim Training mit seinem Personal-Trainer Daniel Rauland an der Berliner Promenade. Foto: Rich Serra