Ein Gin Tonic mit Jules Verne

Neue SZ-Serie „Da muss man hin“: Ein Besuch in der Saarbrücker Bar „Jules Verne“

Von SZ-Redaktionsmitglied Patricia Heine, Sarbrücker Zeitung 04. Juli 2016

Wo verbringen junge Leute in der Region ihre Freizeit? Was ist angesagt? Gibt es sie, die Orte, an denen sich jeder trifft? Zum Feiern – oder einfach zum Abhängen. Die SZ hat sich auf die Suche gemacht und stellt in einer Serie diese Orte vor. Heute: zu Gast in der Bar „Jules Verne“ in der Mainzer Straße/Paul-Marien Straße in Saarbrücken.

Saarbrücken. Jedes Teil ein Herzstück. Liebevoll ausgesucht, auf Flohmärkten entdeckt oder selbst gebaut. Kein Stuhl gleicht dem anderen. Kein Tisch sieht aus wie sein Nachbar. Alles Individuen, genau wie die Gäste. Aber das macht die Atmosphäre besonders im „Jules Verne“ oder „Jules Wayne“? Wie es richtig heißt, weiß man nicht genau. Ein Schild fehlt noch. Deshalb nennen es manche einfach nur „Jules“. Und dort hängt man jetzt ab.

Schon vor einem Jahr tat sich was hinter den großen Glasfronten des alten Sandsteinbaus in der Mainzerstraße. Nur keiner wusste, was. Die Scheiben blieben zugehängt. Mitte April 2016 dann die Enthüllung. Giovanni D’Arcangelo hatte im Innern einen Raum für Fantasie, Inspiration, Freiheit und Entspannung geschaffen. „Ich bin halt ein Querdenker und lasse mich von Gefühlen leiten“, sagt der 47-Jährige. Herausgekommen ist das „Jules Verne“. So heißt es tagsüber. Sobald Alkohol fließt, wird es zum „Jules Wayne“, hat sein Besitzer beschlossen. Wayne: auf Englisch so viel wie „egal“. Das soll einem der Alltag dann sein. Wer den Rausch sucht, ist aber falsch. Stattdessen Seele baumeln lassen. Entspannte Musik zum Abschalten. Jung und Alt, kurzer Rock, bauchfrei, Kostüm und Krawatte – alles trifft sich hier. „Wir lieben es, wenn es gemischt ist“, sagt Giovanni. Viel Zeit, Arbeit und Liebe habe er investiert. Das große Gemälde an der Stirnwand hat er selbst gemalt, ein Segelschiff auf rauer See. Die Bar, die den Eindruck erweckt, Jules Verne persönlich genießt seinen Gin Tonic daran – von Giovanni selbst gebaut. Er ist eben ein Künstler. Das Esszimmer, die 100 Tage Bar, das Modul und das Römerkastell – bekannte Namen in der Saarbrücker Club- und Kneipenszene. Und überall hat Giovanni im Hintergrund die Fäden gezogen.

Mit liebevollen Details arbeitet er im „Jules Verne“. Blumen in kleinen Vasen, nostalgische Kerzenständer, an denen das Kerzenwachs heruntertropft. Auf dem großen Orientteppich steht ein dunkler Holztisch wie aus Omas Wohnzimmer. An dem kommt die Fußballmannschaft zusammen oder der Mädelsstammtisch zum Grauburgunder. Romantischer am Nachbartisch, einer alten Schulbank. Mit Crémant stoßen sie auf ihr erstes Date an. Wer Glück hat, sichert sich einen Platz auf der breiten Bank in der riesigen geöffneten Fensterfront. Wird die Luft zu dick, Füße aus dem Fenster baumeln lassen, frische Stadtluft einatmen.

So schnell steht Anne nicht mehr auf. Beine hoch und zurücklehnen. Die breite Bank, definitiv ihr Lieblingsplatz. Zwischendurch „Kaffeeklotzen“, wie sie und Freundin Eileen es nennen, Leute auf der Straße zu beobachten. Nicht Nauwieser Viertel, nicht St. Johanner Markt, kein Sehen und Gesehen werden. Eben genau das, was Saarbrücken gefehlt hat, finden die beiden. „Ich fühle mich, als würde ich entspannt bei Freunden auf der Terrasse sitzen“, erzählt die 28-jährige Anne.

Der 33-jährige Saarbrücker Yannick lebt zwar mittlerweile in Luxemburg. Ins Saarbrücker „Jules Verne“ kommt er am Wochenende aber trotzdem gerne. „Seit über zehn Jahren hat sich im Nauwieser Viertel fast nichts verändert“, sagt er unzufrieden. Zeit für Neues. Das „Jules Verne“ liegt wohl voll im Trend. „In Berlin ist zurzeit jeder zweite Laden in dem Stil gestaltet“, sagt Yannicks Freundin Emilie.

Ein Restaurant soll das „Jules Verne“ aber nicht sein. Knurrenden Mägen wird trotzdem geholfen. „Wir kochen, was uns gerade so einfällt“, meint Giovanni. Mal Gemüsesuppe, mal Pasta, mal Currywurst oder Salat. Drei Gerichte am Tag stehen meistens zur Auswahl. Und täglich Frühstück.

Auch sechs Wochen nach der Eröffnung zieht die Neugierde noch Leute in die Bar. Eine ältere Dame mit voller Einkaufstasche steht im Eingang, schaut sich staunend um. „Das hat irgendwas, schön“, sagt sie zu sich selbst und verlässt wieder den Raum.

Eine Atmosphäre, die wirkt. Und das will Giovanni nutzen. Filmabende, Vorträge, Konzerte, Ausstellungen und Diskussionen. Wenn die „kleinen Wehwehchen“ beseitigt sind, soll es richtig losgehen. Mit Leidenschaft, damit der inspirierende Geist des Dichters Jules Verne in der Luft bleibt.

 

Die breite Bank im offenen Fenster ist der Lieblingsplatz von Eileen und Anne (rechts) im „Jules Verne“. Foto: Oliver Dietze

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