Wie es mit dem in der Krise steckenden Saarbrücker Filmhaus weitergehen könnte
Mäßige Besucherresonanz, mangelndes Profil, hohe Mietkosten und dazu die teure Filmamt-Konstruktion: Das Saarbrücker Filmhaus gerät ins Visier der Lokalpolitik. Gestern stellte der Kulturdezernent seine Gedankenspiele vor.
Von SZ-Redakteur Christoph Schreiner, Saarbrücker Zeitung 16 Sep 2016
Saarbrücken. Schon vor der gestrigen Saarbrücker Kulturausschuss-Sitzung wusste Kulturdezernent Thomas Brück (Grüne), dass es für ihn, wie er vorab eingestand, diesmal „ziemlich stressig“werden würde. Hat Brück doch auch ein Jahr nach Amtsantritt immer noch kein dezidiertes Zukunftskonzept für das kommunale Kino „Filmhaus“vorgelegt. Dabei ist allen Stadtratsfraktionen und selbst Film-Enthusiasten klar, dass es nicht weitergehen kann wie bisher. Weder mit der deutschlandweit ziemlich einmaligen, kostspieligen Konstruktion eines eigenen „Amtes für kommunale Filmarbeit“noch damit, dass der erhebliche Besucherschwund des Hauses weiterhin nur hingenommen wird. Zuletzt kamen nicht einmal mehr 18 000 Besucher im Jahr, im Schnitt also weniger als 50 pro Tag. Und das bei täglich mindestens vier Filmen.
Als Michael Jurich im Februar 2010 Nachfolger des Filmhausund Ophüls-Festivalgründers Albrecht Stuby wurde, hatte der sich gerade zum Jahreswechsel mit einer Bilanz von 30 000 Besuchern in den Ruhestand verabschiedet. In Stubys gloriosesten Zeiten waren es mal 60 000 gewesen. Aus dem Schatten Stubys ist Jurich nie herausgetreten. Könnte sein, dass sein Vorgänger aus Denkmalpflege in eigener Sache genau das beabsichtigt hatte, als er damals von den elf eingeladenen Bewerbern Jurich empfahl. Wenn sich seinem Erben etwas nicht nachsagen lässt, dann ein kreatives Interesse an mehr Publikumsresonanz. Über die Jahre entstand der Eindruck, dass Jurich (durch und durch Cineast, fachlich beschlagen) zwar an ambitionierten Programmen bastelte, aber wenig Energie darauf verwendete, den zahlenmäßigen Niedergang des Hauses aufzuhalten. Umso mehr ist dies nun seinem Vorgesetzten Brück aufgetragen.
Und so hat dieser, bislang als städtischer Kulturverweser selbst reichlich blass geblieben, gestern nun immerhin mehrere Rettungsoptionen für das Filmhaus im Kulturausschuss vorgestellt. Drei Konsolidierungswege sieht er, denen eines gemeinsam ist: der rotstiftgetriebene Plan, das Amt für kommunale Filmarbeit (3,5 Planstellen) aufzulösen. Quer durch alle Stadtratsfraktionen dürfte dies mitgetragen werden. Schwieriger gestaltet sich die Frage, ob das Kino am angestammten Ort weitergeführt werden oder – Brücks favorisierte Lösung – in einer Rumpfversion Einzug halten soll in dem kommerziell betriebenen Saarbrücker Arthouse-Kino Camera Zwo, das schon in der Spätphase Stubys den Filmhausstern trübte und sinken ließ. Brück schwebt vor, dass Filmhausleiter Jurich dort künftig alternierend ein bis zwei Säle mit seinem klassischen kommunalen Kunstfilmprogramm bespielen könnte. Vorverhandelt ist das Ganze schon mit Camera ZwoChef Michael Krane, der eine feste Saalmiete bekäme. Allerdings hat die Sache einen dicken Haken, der Brücks mangelnde Professionalität offenbart: Bis heute ist ungeklärt, ob die Camera Zwo barrierefrei umzubauen ist. Das aber wäre unerlässlich. Steht doch bereits der jetzige Standort zurecht unter Thomas Brück Dauerbeschuss der Behindertenverbände, nachdem die klamme Stadt seit Jahren aus Kostengründen die Realisierung eines Außenaufzug am Filmhaus verschleppt.
Auch Brücks zweites Gedankenspiel ist unausgereift: Die Idee, seinen Kino-Problemfall mit dem hälftig von Land und Stadt budgetierten Kino Achteinhalb zu fusionieren, findet dort wenig Gegenliebe. Zu groß ist die Angst der Achteinhalb-Macher, ihr dank diverser Reihen und Kooperationspartner klar profiliertes Filmwohnzimmer-Juwel – faktisch längst ein zweites kommunales Kino – könnte im Falle einer Zusammenlegung (auch personell mit Jurich) seine Identität einbüßen. Zudem müsste eine beide Kinos umfassende neue Vereinsstruktur gefunden werden, in die auch Jurich neu einzubetten wäre. Fraglich ist, was eine Fusion von Achteinhalb und Filmhaus unter Erhalt beider Häuser überhaupt an Einspareffekten brächte. Scheint doch unstrittig, dass die Fraktionen an der (im Mai an eine Privatgesellschaft verkauften) Immobilie in der Mainzerstraße hängen und sie als Kulturort offenbar erhalten wollen. Bliebe folglich als drittes, gestern von Kulturdezernent Brück im Kulturausschuss vorgestelltes Szenario eine abgespeckte Business-asusual-Lösung: Jurich bespielt nur noch den großen Saal, während die übrigen beiden Mini-Abspielstätten (Schauplatz/Galerie) kulturell von privater Seite anderweitig genutzt werden könnten.
Über ein viertes, prinzipiell denkbares Szenario ist bislang offiziell nichts zu hören: Jurich im Zuge der absehbaren FilmamtAbwicklung womöglich in ein anderes Amt zu versetzen. Wollte man das Filmhaus zum Kulturzentrum ausbauen, wäre Jurich der falsche Mann. Klar ist: Kulturdezernent Brück muss nun liefern. Unausgegorene Optionen reichen nicht. Wie wär’s mit der Klärung der Grundfrage, was das Filmhaus überhaupt leisten soll?